Heimatverein Steinfeld e.V.

Tierische Erlebnisse
Franz-Heinrich Bunge

 Wir Indianer hatten ein großes Problem: wie kommt unser Häuptling zu einem statusgemäßen Kopf-schmuck? Auf unseren Streifzügen durch Felder, Wälder und an Hühnerhöfen vorbei ließen wir herumliegende Federn von Tauben, Fasanen, Eichelhähern, Krähen und eben Hühnern schon mitgehen. An die Puter von Bäckers Richard kamen wir nicht heran, die alarmierten sofort den ganzen Popenberg. Es half alles nicht - wir mussten in die Offensive gehen. Da Indianer bekanntlich immer offenen Auges durch ihr Stammesgebiet streifen, hatten wir uns bald auf einen potentiellen Federlieferanten geeinigt: Pastors Hahn! Dieser stolzierte und scharrte und kollerte mit seinem eierlegenden Harem auf dem Hofe unter den alten Eiche - argwöhnisch beobachtet von Haushälterin Anna, die uns sämtliche undurchsichtigen Vorfälle anlastete - meistens zu recht. Unser Spähtrupp hatte Verhaltensforschung am auserkorenen Objekt betrieben und kannte nun die Wanderwege der geistlichen Hühnerschar. Sie trippelte aus dem Stall an der Kapelle vorbei ins Unterholz an unseren Bolzplatz. Mucks Engelbert hatte sich auf der Frühjahrskirmes eine Faustfeuerwaffe gekauft, einen so genannten „Hundeböller“. Diesem wurde vorne ins großkalibrige Rohr ein ebenso dicker Korken gesteckt, gefüllt mit einer Explosionsmasse. Pfiffig wie wir waren, hatten wir uns sicherheitshalber auch mit Lockfutter versorgt: mit gnädiger Erlaubnis des ewig mehlbestäubten Seegers Pappen hatten wir an der Rampe von „Genotten“ Mühle die benötigten Körner ergattert, um das Federvolk auf direktem Weg ins Fanggebiet zu lenken. Dort lagen wir gut getarnt im Dickicht. Annas Hühnervolk fand sich pünktlich am Ort der geplanten Apokalypse ein und suchte und pickte nach Kostbarkeiten des heimischen Bodens – nichts ahnend von der tödlichen Gefahr. Engelbert zog den Abzugshahn durch, ein Donnerschlag, die Hennen stoben gackernd davon und der Hahn – er fiel nicht in Ohnmacht, sondern schoss in die Höhe des Gestrüpps und dann seinem Harem hinterher .... leider nur wenige Federn hinterlassend. Diese aufgegriffen, Fersengeld gebend verließen wir fluchtartig den Ort unseres Anschlages. „Wat maokt gi daor?“ schrie eine schrille Stimme hinter uns her, Pastors Tante Anna hatte auf der Lauer gelegen und richtig auf uns getippt. Schadenfroh bemerkten wir auf unserer Flucht, dass sie stürzte und schimpfend die Verfolgung aufgab. Anschließend soll sie sich bei Pastor Uptmoor bitter darüber beklagt haben, die Hühner seien tagelang ihrer Verpflichtung als Eierproduzenten nicht nachgekommen. Notabene: Unser Häuptling musste sich mit gefärbten weißen Hühnerfedern begnügen.

Einen anderen Anschlag auf das heimische Federvieh möge man unserem Forschungsdrang mit Nachsicht verzeihen: Unsere Tanten Anna und Auguste hatte an der Diepholzer Straße, dort, wo heute das Geschäftshaus Buddelmeyer steht, ein Grundstück, das als Garten nebst Hähnchenhaltung genutzt wurde. Mit diesen Flattermännern wollten wir ein Experiment wagen: Wie beeinflusst der Genuss von Alkohol Steinfelder Federvieh? Dazu mischten wir den Badensatz aus dem Leergut von Bungen Guste zu einem wohl hochprozentigen Gesöff – wie sich später zeigte. Die halbwegs gefüllte Germania-Flasche gossen wir den Hähnchen in die Wasserglucke und nahmen dann unsere Beobachtungsplätze ein. Fazit: es kam zu einem Massenbesäufnis. Gierig schluckten die Zweibeiner von der Verdünnung, um bald darauf ungewöhnliche Flugbewegungen zu zeigen und ebenso noch nie gehörte Laute von sich zu geben. Unsere Tanten wurden von einem vorbeigehenden Gast über das seltsame Verhalten der Trunkenbolde informiert, konnten aber keine Erklärung dafür finden. So gingen sie den Weg aller Nutztiere – am nächsten Sonntag gab es leckere Hähnchen.

Ein anderes, für uns Kinder schweinisches Vergnügen, fand immer am Samstag statt. Bungen Guste hielt in ihrem Stall eine Sau, der am Wochenende das so genannte Leckbier kredenzt wurde, der abgestandene Schaum vom Pils. Das Borstenvieh genoss die Extra-Ration mit Vergnügen: schlabbernd soff es das Gebräu aus dem Trog, um anschließend mit Schlagseite an der Stallwand entlang zu scheuern und dann in einen säuischen Traum zu fallen. Dabei schnarchte sie selig.



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