(Beitrag für Sonderseiten 111 Jahre OV)

 

Steinfelds stete Entwicklung beginnt Ende des 19. Jahrhunderts

 

Redaktion: Stephan Honkomp

 

Blicken wir 111 Jahre zurück. Was bewegte die Menschen im Jahr 1895? Eines der bedeutendsten Ereignisse im Deutschen Raum war im Juni 1895 die Einweihung des Kaiser-Wilhelm-Kanals (heute Nord-Ostsee-Kanal). Dieses Großereignis stellte auch das Leben in einer kleinen Gemeine wie Steinfeld mit seinen gerade einmal gut zweieinhalbtausend Einwohnern in den Schatten.

 

In Steinfeld war man zu jener Zeit nach einem Wellental, das die große Auswanderungsbewegung von 1835 – 1885 in unserem Ort verursachte hatte, dabei, wieder nach vorne zu schauen. Über 1 500 Steinfelder Bürger waren innerhalb von 50 Jahren ausgewandert. Die meisten nach Übersee in die USA, einige wenige Hundert machten sich auf in die Gegend der heutigen Slowakei, um dort ihre Zukunft zu finden. 1837 hatte das Steinfelder Kirchspiel noch 3 593 Einwohner und Steinfelds Bevölkerungszahl erholte sich nach 1885 (2 542 E.) 1895 (2 641 E.) allmählich. Es war Zeit für einen Neuanfang. So stellten in der Wohnung des damaligen Gemeindevorstehers Wilberding die Ratsherrn der Gemeinde Steinfeld die Weichen für eine gedeihliche Entwicklung des Kirchspiels. Zum Rat der Gemeinde gehörten seinerzeit der Zeller Knälmann, Kötter H. Lüke, Zeller gr. Heitmann, Privatier Fritz Nieberding, Zeller Josef Rolfes, Eigner Bergmann, Kötter Bokern, Zeller Strothmeyer, Zeller Meyer, Zeller Mählmeyer, Zeller Diekmann, Eigner B. Kirchhoff und als Ersatzmann B. v.d. Assen.

 

Schließlich wurde auf der Sitzung vom 5. September 1895 der „Contrakt“ mit dem Baumeister W.M. Rinklage aus Münster zur Planung der neuen Kirche beschlossen. Eines wurde schnell deutlich: Es waren Menschen da, die in Steinfeld etwas bewegen wollten. Einer von ihnen war der aus Lindern stammende Pastor Bernhard Schlichting. Er hatte bereits im Vorfeld in Zusammenarbeit mit der Gemeinde Ende November 1893 den Grundsatzbeschluss erwirkt, dass eine neue Pfarrkirche gebaut wird. Ein früher „Bauboom“ setzte ein. Die OV hielt zu den damaligen Bautätigkeiten in Steinfeld fest: „Wohl an die 20 fremde Mauerergesellen sind neben den einheimischen Gesellen derzeit in Steinfeld tätig, denn parallel zum Kirchenneubau wurde gleichzeitig am Wilberding´schen Rundofen (Ziegelei), am Haus Deters und am Haus Bergmann gebaut.“ Pastor Schlichting, der von 1890-1916 in Steinfeld wirkte, sorgte später auch für den Bau des St. Franziskus Hospitals (1908).

 

Diese Jahre vor der Jahrhundertwende mögen richtungsweisend, ja ausschlaggebend für das weiter prosperierende Steinfeld gewesen sein. Steinfeld wurde an die Bahn angeschlossen, wenngleich ursprünglich ein näherer Anschluss am Ort geplant war. Später war man froh über den Beschluss, konnte sich doch um das vor den Toren Steinfelds liegende Bahnhofsgebiet als Gewerbe- und Industriegebiet in ausreichender Distanz zu den Wohngebieten entwickeln. Auch die Landwirtschaft entwickelte sich prächtig. Nachdem die Vorurteile gegen den Kunstdünger abgebaut waren und unsere hiesigen kargen Böden fruchtbar wurden, fand in der Landwirtschaft ein großer Strukturwandel statt. So nahm beispielsweise der Anteil an Ackerland im Laufe der Jahrzehnte immer weiter zu. Und auch die Viehzucht bekam einen enormen Auftrieb. Trotzdem zog es viele Familien zur Jahrhundertwende in die deutschen Ostgebiete, um im Großraum Posen (damals noch Westpreußen) anzusiedeln.

 

Erst zu Beginn des I. Weltkriegs kam auch die Elektrizität nach Steinfeld. Die neun Wassermühlen und die eine Windmühle der Familie Röchte sollten dies in den folgenden Jahrzehnten zu spüren bekommen. Langsam aber sicher hielt die Industrie Einzug in Steinfeld. Neben der Ziegelei (um 1850) waren Zigarrenfabriken in Steinfeld entstanden, Firmengründungen wie damals beim Goldschmied Clemens-Heinrich Krapp, den späteren Baustoffhandel Bergmann, der Lohgerberei Krapp und die Molkerei Mühlen bildeten neue finanzielle Lebensgrundlagen für Familien, die nicht mit der Landwirtschaft verbunden waren. Außerdem wurden zu der Zeit die Raiffeisen-Genossenschaftsbanken zunächst in Steinfeld und kurz danach auch in Mühlen ins Leben gerufen.

 

Einer der Maßgebliches über vier Jahrzehnte für Steinfeld bewirkte, war Joseph Overmeyer. Dieser war 1922 im Alter von 24 Jahren zum Gemeindevorsteher gewählt worden und überdauerte als einziger parteiloser Bürgermeister das NS-Regime. Overmeyer hatte auch als späterer Gemeindedirektor viele Krisen zu bewältigen. Zunächst die Weltwirtschaftskrise, dann das NS Regime mit dem II. Weltkrieg und zuletzt die Hungersnöte nach dem Krieg.

 

Auch das Vereinsleben kam auf. Pioniere des Steinfelder Vereinslebens waren der Schützenverein und die Gesangsvereine. Die heutigen Großvereine wie der SV Falke und GW Mühlen wurden erst zu Beginn der 20er Jahren gegründet, denen kurz danach auch die Gründung der Freiwilligen Feuerwehr Steinfeld (1926) folgte.

 

Um 1908 erhält auch die Bauernschaft Mühlen einen unerwarteten Aufschwung, denn durch den Neubau des Klosters und der Klosterkirche St. Bonaventura durch die Franziskaner Patres entsteht in Mühlen ein völlig neuer Ortsmittelpunkt, der sogenannten „Neustadt“. Eigenständiges Pfarrrektorat wird Mühlen erst in der zweiten Hälfte der 20er Jahre. Zu der Zeit kommen auch in Mühlen die ersten Betriebe auf wie z.B. die Spatenschmiede Kröger & Trenkamp, die Filiale der Delmenhorster Korkfabrik J.H. Minnemann oder der Maurerbetrieb Bavendiek.

 

Die Entwicklung der Gemeinde kam fortan nie zum Stillstand – ganz gleich wer im Rathaus am Ruder stand. Es ging immer voran – mal langsam und besonnen, mal schnell und zielstrebig. Und so blicken wir zurück auf die abgelaufenen 111 Jahre seit Einführung der OV. Alle Bürger der Gemeinde Steinfeld können stolz auf die Entwicklung ihres Gemeinwesens sein, die von der OV-Zeitung immer informativ begleitet hat.


 Bild 1

Ansicht auf Steinfeld aus südöstlicher Richtung im Jahre 1910. Vorne links das St. Franziskus Stift und rechts die Kaplanei. IM Hintergrund die St. Johannes Kirche

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Die Mühler „Neustadt“ mit dem Gebäude Krogmann, das im 20/30er Jahre Stil erbaut wurde

 Bild 3

Josef Overmeyer (1898-1962) leitete 40 Jahre lang die Geschicke der Gemeinde Steinfeld als Gemeindevorsteher, Bürgermeister und Gemeindedirektor