Heimatverein Steinfeld e.V.

Denglisch
Von Heinrich Havermann

 Die NWZ widmete der deutschen Sprache am 8.September 2007 eine Sonder­seite. Angeregt durch diese Seite für ein gutes Deutsch und die breite Zu­stimmung in Leserbriefen sowie mit den Zielen des Heimatbundes vor Augen, zu denen von Anfang an die Sprachpflege gehört hat, möchte ich Ihnen die folgenden Gedanken vortragen:

Für das neue Jahrbuch musste ich kürzlich den Jahresbericht 2006 ab­fassen. Erkennen Sie in der folgenden Fassung Ausdrücke unseres heute üblichen Zeitungsdeutsch?

„Der Münsterlandtag in Vechta war 2006 das Meeting der Südoldenburger. Für die Fans des Heimatbundes ist dieses Weekend im November immer ein besonderes Event. Allerdings war manch ein VIP (= Very Important Person) sauer, dass er am Entry Counter Cash für ein Ticket hinlegen musste. Die First Lady des Heimatbundes, Hildegard Kronlage, begrüßte in ihrer Address-Rede die Promis der Region. Der Bürgermeister und der Landrat gaben erfreulich kurze Statements ab. Ein wenig boring war dann die Speech des Kultusministers. Er verkündete, daß der Count­down für die Promotion eines New Systems in der Schule begonnen habe. Diese New School solle sich durch Selfgovernment auszeichnen. Dieser Slogan gefalle ihm, sei er doch geradezu selfexplaining. Er freue sich, daß sein Ministerium in exzellentem Teamwork nach intensivem Brainstorming solch ein Goal erzielt habe. From the Beginning würden die Kids dazu gebracht, sich die Fähigkeiten für ein Long-Life-Learning anzueignen. Übrigens würde eine solche Schule den von seinem Haus propagierten Girls-Day überflüssig machen. Nach einem Break zu Mittag mit einem Slow-Food-Essen, es gab Vizebohnen, begann das Enter­tainment des Münsterlandtages mit vielen Highlights. Es gab viel Live-Musik und beachtenswerte Dance Performances. Besonders Eindrucks­voll waren die Tanzleistungen des CCV. Weil die Cheer-Rufe der Fan-Gemeinde nicht enden wollten, wurde der Coach schließlich auf die Bühne geholt und gefeiert. In den Abschluß-Song, „Heil dir, o Oldenburg“, stimmten alle powered by emotion ein.“

Mit diesem bewusst überspitzt formulierten Bericht mache ich mich lustig über das Denglisch, das in unseren Medien weit verbreitet ist. Doch nicht nur dort.

Unser Jahrbuch stellt unter der Überschrift „Das Oldenburger Münsterland – eine moderne Industrieregion“ jedes Jahr Unternehmen der Region vor. Vor einigen Jahren kam Prof. Hermann von Laer, der Bearbeiter dieses Beitrages, mit dem Vorschlag einer Firma an, den Zusammenhalt der Mitarbeiter mit dem folgenden Satz zum Ausdruck zu bringen: „In dem Bewusstsein, dass eine gemeinsame Unternehmenskultur einen entscheidenden Einfluss auf erfolgreiches Wirtschaften hat, hat die Firma shared values definiert, damit alle Gesellschaften weltweit in der (!) Lage versetzt werden, ihre Handlungen und Taten nach einem Wertesystem auszurichten. Die sieben shared values Flexibility, Global, Independance, Innovation, Part­nership, Passion for Excellence und Quality sollen für die Menschen bei [der Firma] eine Leitlinie sein, um sich klar orien­tieren zu können.“

Es stellt sich die Frage, ob eine solche in Fremdworten dargelegte Firmenphilosophie in unserem Oldenburger Münsterland von Betriebsangehörigen verstanden und als persönliche Verpflichtung angesehen wird.

Es gibt Berufsgruppen, deren Angehörige ihre Arbeit häufig im internatio­nalen Umfeld verrichten wie die Soldaten oder die Diplomaten. Nach einem Prüfungsaufenthalt an der deutschen Botschaft in Washington hielt der Chefinspekteur im Auswärtigen Amt, Hans-Joachim Vergau, am 30. November 1994 den Angehörigen der Botschaft die folgende Standpauke:„Liebe Angehörige der Botschaft, in Connecticut gibt es einen ‚Ver­ein der Freunde der deutschen Sprache‘. Es erscheint mir fraglich, ob viele von uns legitimiert wären, dort um Mitgliedschaft einzu­kommen. Ich habe bei Ihnen gehört, wir verfügten nicht über genug manpower. Die Referate seien understaffed. Sie könnten die vielen Besuche nicht handeln. Es wurde zu einem brainstorming eingeladen, um das followup des Kanzlerbesuchs zu erörtern. Es ging um den richtigen approach. Die Presse hält ein meeting. Da gibt es ein briefing für die Print-Medien. Wir müssen die Statistik up-daten. Der Referent hat insider knowledge, denn er trifft sich mit legal experts. Die Einladung kam on short notice, aber die Sekretärin hat es noch gesettled. Die Gäste werden high level sein, deshalb ist der Rede-Entwurf ein challenge. Das Geld für die Ausstellung in der Residenz haben wir gefundraised. Ich könnte noch lange fortfahren. Alles dies stammt aus Ihrer sitting noch als Abenteuer vermarkten.

Dog Day: Damit wurde kürzlich vom Fernsehen ein Angebot für Mensch und Tier beschrieben, den Tag gemeinsam an der Arbeitsstätte zu ver­bringen. Ein solches Erlebnis, deutsch beschrieben, hätte den Gedanken nahe gelegt, man sei in den Hundstagen oder auf den Hund gekommen.

Bei der Deutschen Telekom und der Deutschen Bahn wuchert das Denglisch in widerlicher Weise: da gibt es den Service Point, wo man vielleicht Auskunft erhält, den Counter, wo man ein Ticket kaufen kann, das Carsharing, wo man wohl Mietwagen erhält, und die Empfehlungen Call a Bike, Rail and Fly, Touch and Travel, was mancher – genervt vom Fahrkartenautomaten mit „Fummeln und Fahren“ übersetzt.

Die Douglas-Parfümeriekette wollte vor einigen Jahren die Kunden anlocken mit der Aufforderung „Come in and find out!“. Viele Leute ohne besondere Englischkenntnisse verstanden das als Scherz „Komm herein und finde wieder heraus!“, gemeint war aber „Komm herein und entdecke!“.

Ingo-Rolf Weiss, der 1.Vorsitzende der Deutschen Sportjugend aus Münster, lud kürzlich seine Sportkameraden ein zum Jugendevent mit Fun und Action unter dem Hinweis Move your Body – Stretch your Mind

Die Stadt Vechta machte vor einigen Jahren durch eine ungewöhnliche Verwaltungsmaßnahme Schlagzeilen. Den Mitarbeitern der Stadtverwal­tung wurde ein sogenanntes Power Napping empfohlen – ein Erholungs­schlaf nach dem Mittagessen, den die AOK empfohlen hatte. Den Rathaus­schläfern von Vechta gelang damit die Einschleusung eines Anglizismus in die deutsche Sprache.

Die Stadt Cloppenburg kündigte in diesem Jahr zum Juni-Markt ein Bür­germeister-Wettzapfen an und lud gleichzeitig zur „After-Work-Party“ ein.

Im Rahmen des Cloppenburger Kultursommers fand eine Veranstaltung unter der Überschrift „Winds and Voices“ statt. Was die Cloppenburger unter dieser englischen Überschrift vermarkten wollten, war ein Konzert der Feuerwehrkapelle mit Chören der Stadt. Doch welche Vorstellungen kommen einem normalen Mitbürger, wenn er im Zusammenhang mit Ge­räuschen das Wort „Winde“ hört. Wenn wir ehrlich sind, gehört die Blas­musik nicht dazu. Das englische Wort „Voices“ dürfte für viele unserer älteren oder zugewanderten Mitbürger gar nicht bekannt sein.

Wirtschafts- und Werbefachleute wie auch Lehrpersonen unterstreichen ihren Auftritt heute gern mit einem Flyer. Für den Engländer ist das aber kein Faltblatt, sondern eine Fluchttreppe. So manch aufgeblasener Begriff der weltläufig englisch daherkommt, dürfte für Native Speaker, also Leute deren Muttersprache das Englische ist, erschreckend sein.

Seit der Fußballweltmeisterschaft mit ihren in die breite Öffentlichkeit übertragenen Fernsehschauen ist der Begriff „Public Viewing“ in den Sprachgebrauch gekommen. Leute mit Englisch als Muttersprache muss ein Grauen packen, wenn Deutsche den Begriff nutzen, bedeutet er doch im Englischen nichts anderes als „Öffentliche Leichenschau“.

Eine internationale Verwendung des Begriffs Body Bag anstelle des guten deutschen Wortes Rucksack verbietet sich ebenfalls; denn das Wort wird im Englischen für Leichensack verwendet.

Neben dem Führungspersonal der Wirtschaft und den Werbefachleuten sind vor allem auch die Vertreter der Presse darauf aus, durch die Ver­wendung englischer Vokabeln die Aufmerksamkeit von Lesern und Zu­schauern zu erhaschen.

·        Da kann man dann in der Regionalpresse lesen: dass der Bischof von Münster ein frequent flyer ist, wusste die MT am 24. Februar 2007.

·        Das Bildungswerk Cloppenburg kündigte in der NWZ zum gleichen Zeitpunkt einen Grundkurs für Frauen an unter Fit for Kid.

·        „PS-Power-Fight begeistert Motor-Fans Lauf zur Deutschen Meisterschaft im Tractor-Pulling – Event lockt Tausende von Zuschauern“ war eine Schlagzeile der MT.

·        .„Exciting physics – Bundesweites Wissenschaftsfestival für Schüler“ lautete eine andere Schlagzeile.

·        Die OV berichtete am 18.06.2007 aus Neuenkirchen: „... Beim 1.Adventure-Run der Clemens-August-Jugendklinik ging es auf und ab durch die Dammer Berge...“

·        Die OV/MT berichten am 11. August 2007, dass Forscher der Bremer Universität Gewerkschaften für überflüssig halten, weil sie mei­nen: „... Attraktiver sei es für die „ausgesourcten“ neuen kleinen Selbständigen, sich an ihren individuellen Bedürfnissen statt an abstrakt erscheinenden ‚Gesamtinteressen‘ zu orientieren...“

·        Die MT übernimmt am 05. September 2007 von einer Fete des BDKJ die Erkenntnis „Wandern ist out, Geocaching ist in!“

Warum verhunzen wir unsere eigene Kultursprache durch Anglizismen, die einer mit Englisch als Muttersprache nicht einmal versteht? Wozu reden wir also „DENGLISCH“, wenn wir sowohl von Landsleuten wie auch von Ausländern nicht recht verstanden werden?

Untersuchungen, ob englische Werbesprüche wie Feel the difference oder Life by gorgeous überhaupt verstanden werden, brachte ernüch­ternde Erkenntnisse: Nur ein geringer Prozentsatz der Angesprochenen wusste, was man mit diesen flotten Sprüchen sagen wollte. Das Fly Euro Shuttle der Fluggesellschaft Air Berlin stürzte die meisten in große Ver­wirrung, schien es doch dazu aufzufordern, irgendwelche herumfliegenden Euromünzen zu schütteln.

Falko Weerts, ein Fernsehmoderator des NDR, schreibt hin und wieder samstags eine Kolumne in der OV. Am 6.Januar machte er sich Gedanken über die Verhunzung der deutschen Sprache durch Anglizismen, miese Ausdrücke und aggressive Werbeange­bote. Er plädierte für weniger Gedröhn, eine schönere Sprache und damit für ein bessere Verstehen auch solcher Dinge, die nur schwer zu begreifen sind.

Volker Persch führt in der Juliausgabe der SPRACHNACHRICHTEN (VDS) drei Gründe gegen den neudeutschen Sprachmischmasch an:

Grund 1: Gegen das Denglische spricht der gute Geschmack... Es ist schön und erstrebenswert, eine so wichtige Weltsprache wie das Englische zu beherrschen. Einfach geschmacklos ist es aber, mit seinem Wissen glänzen zu wollen, indem man zwei Sprachen fortdauernd mischt. Der gei­stig Neureiche versucht, sich mit Anglizismen den Glanz von Weltläufigkeit und gehobener Einsicht zu verleihen. Hinterfragt man die Wortblasen, bleiben oft nur mangelndes Verständnis oder eitle Gespreiztheit. Stretched Goals für hohe Ziele oder McClean für die Bedürfnisanstalt sind schlicht lächerlich....

Grund 2: Gegen das Denglische spricht der Wunsch nach Verständlich­keit. Sprache dient der Verständigung und muss daher deutlich sein. Wenn der Manager seine Mitarbeiter um performance bittet, können diese das Wort nach eigenem Gutdünken interpretieren. Wenn der Sprecher aber „Leistung“ verlangt, ist jedem klar, was von ihm erwartet wird. Allerdings fordert solche Klarheit Mut vom Sprecher, denn er legt sich eindeutig fest....

Grund 3: Gegen das Denglische spricht unser wirtschaftliches Interesse... Die Gedanken und Meinungen entstehen nicht zuletzt beim Reden. Kleist schrieb „von der allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Reden“: „Wenn Du etwas wissen willst“, so fängt sein Aufsatz an, „und es durch Meditation nicht finden kannst, so rate ich Dir, mein Freund, mit dem nächsten Bekannten, der Dir aufstößt, darüber zu sprechen“.... Das Spre­chen dient als Türöffner für das Denken... Kreatives Denken gelingt den Menschen in ihrer Muttersprache am besten; eine bessere Sprache er­möglicht eine größere Kreativität! Kreativität aber ist die Voraussetzung für Wissenschaft und Innovation, die treibende Kraft unserer Wirtschaft...

Der weltweit bekannte Computerexperte Josef Weizenbaum vom Massa­chusetts Institute of Technology in den USA hat das Problem knapp auf den Punkt gebracht: „Jeder Mensch denkt in seiner eigenen Sprache mit den ihr eigenen Nuancen. Die Sucht vieler Deutscher nach englischen Sprachbrocken erzeugt dagegen Spracharmut, Sprachgulasch. Ideen kön­nen so nicht entstehen.“

Abtprimas Notker Wolf „Worauf warten wir? Ketzerische Gedanken zu Deutschland“, 7.Auflage, Hamburg 2006, Kapitel „Vision Menschenwürde“, S.216:

„... wohlverstandener Stolz ist eine Aneignungsstrategie. Im Stolz rekla­miere ich kulturelle Eigenschaften für mich, indem ich mich zu ihrem Sachwalter und Verteidiger mache. Durch den Stolz setze ich mich also in ein Erbe ein, sei es nun die Familiengeschichte oder eine regionale Tradi­tion oder die Kultur einer Nation, und mache dieses Erbe zu meiner Sache, zu meiner Aufgabe. Der Stolz bewahrt mich davor, leichtfertig damit um­zugehen, es gering zu schätzen und das gering Geschätzte aufzugeben. Nur wenn ich auf meine Sprache, meine Kultur, mein Land, meine Her­kunft stolz bin, werde ich Sprache, Kultur und Traditionen dieses Landes oder Volkes verteidigen, nur dann haben sie für mich einen Wert, den sie für andere, die nicht dazugehören, niemals haben können. Der Stolz ist also ein Bewusstsein dafür, dass es viel zu verlieren gibt....“ 

Zusatz: Heinrich Havermann ist Geschäftsführer des Heimatbundes für das Oldenburger Münsterland 

...und noch ein Zusatz (die Red.)
Bei den Olympischen Spielen von Peking hat eine Projektgruppe mit der Aktion „Deutsch bei Olympia“ die Anglizismen in den Fernsehreportagen untersucht. Absoluter TOP Kommentator war Martin Schneider vom ZDF für seine Beachvolleyball Berichterstattung. Kostprobe gefällig: Er sprach vom time out auf dem center court bei der „world tour“. Beim Match wurden „Poweraufschläge“ mit viel speed gemacht. Seine Erklärungen der Spieltechniken wie rainbowshot, poke-shot oder spike haben wohl nur Eingeweihte verstanden.

Denglish König war bei der ARD Jan Möller von der ARD. Statt fliegenden Wechsels machten die Hockeyspieler interchanging“. Mit German games meinte Möller die Spiele mit deutscher Beteiligung. Negativ beurteilt wurden auch Ralf Scholt ARD für „three in a row“ und „american spirit“, Tom Bartels von der ARD für „dorm room“, „frontrunner“ Wolf-Dieter Poschmann  & Norbert König war sogar in der „fencing hall“.

Aber auch im jüngsten Steinfeld heißt es hin & wieder „hands on“, „mind- mapping“ oder in Geschäften „sale“. Wir wissen aber auch, dass die deutsche Sprache ebenfalls nicht ganz frei vom Wust des Worteschaffens ist. Da war kürzlich einmal in der Zeitung von einem „bildungsfernen Elternhaus“ die Rede. Das kann man auf Anhieb nicht verstehen. Für mich zählt es jedenfalls zu den „Unworten“ des Jahres. Strengen wir uns einfach mal an, wieder vernünftig miteinander zu reden.  In jedweder Form!

 



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