Festvortrag von Herrn Willi
Glißmann
Kultur im ländlichen Raum unter besonderer Betrachtung der Heimatgemeinde
Steinfeld aus der Sicht eines “Buten-Steiwelsken”
Samstag, den 13 Januar 2007 - 11.00 Uhr in Steinfeld
Geschätzte
Festgäste,
Sehr geehrter Herr Pastor Ortmann, Sehr geehrter Herr Pastor Völkers,
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin Honkomp,
Sehr geehrter Herr Landrat Focke,
Lieber Stefan,
als Du mich im Dezember des letzten Jahres per Telefon ansprachst, ob ich heute
bei der Eröffnung Eurer neuen LOHGERBEREI, der Perle Steinfelds, wie es in einem
“Achtern Euwer” richtig heißt, einen Part übernehmen könnte, haben wir uns einen
Tag später hier getroffen. Als “alter Steinfelder Junge” gab ich Dir meine
Zusage. Deinen Wunsch, etwas “Lokalkolorit” früherer Zeiten mit in den
Festvortrag einzubauen, habe ich aufgegriffen.
Wie in der gestrigen OV Herbert Willenborg und Josef Willenbrink schon klar
festgestellt haben, leitet sich das Wort LOHGERBEN aus dem Althochdeutschen zum
einen Teil von “Lo” = abgelöste Baumrinde und zum anderen von “garawen” = gar
machen ab. Die Tierfelle wurden zunächst vom Gerber in einer Grube mit viel
Wasser gereinigt und dabei eingeweicht. Anschließend wurden sie mit
haarzerstörenden Mitteln behandelt, dann die Haare abgeschabt. Danach wurden die
nun “Blößen” genannten Felle mit zerkleinertem “Loh” versetzt, was den
eigentlichen Gerbprozess einleitete. Die durchgegerbten und noch nassen Leder
wurden später mit Geräten, wie die beiden Heimatfreunde sie besorgen konnten,
auf gleichmäßige Dicke gebracht ,schließlich ausgewalkt und getrocknet. Es waren
viele und harte Arbeitsgänge nötig, wie es auch auf der Einladungskarte
literarisch vermerkt ist, bis aus einer Rinderhaut z.B. ein haltbares
Sohlenleder geworden war. Ich denke, dass die technischen Abläufe sicherlich im
unteren Raum mit der Original-Arbeitsplatte sowie dem gewaltigen Zubehör und
Transmission später noch ergänzt werden. Steinfeld hat mit der wiedererstellten
LOHGERBEREI ein wichtiges KULTURdenkmal erhalten.
Wenn ich mich in Bezug auf die mir in der Thematik gesetzte Aufgabe “Kultur im
ländlichen Raum unter besonderer Betrachtung meiner
Heimatgemeinde Steinfeld” (NICHT Heimatverein!) auf eine zeitgemäße Auskunft des
Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur stütze, dann gehören
zum Begriff KULTUR in Niedersachsen und damit auch für den ländlichen Raum die
BEREICHE: Weiterbildung, Musik, Theater, Literatur, Museen, Künstlerförderung,
Denkmalpflege, Archäologie, Soziokultur, kulturelle Jugendbildung, Kunstschulen,
öffentliche Bibliotheken , Landesbibliotheken, regionale Kulturförderung,
Heimatpflege, Brauchtum und Schutz von Kulturgut zu
unserer Thematik.
Um es vorweg zu sagen und dann an exemplarischen Beispielen zu belegen, stelle
ich fest, dass wir als Kinder und Jugendliche, auch wenn
es bei etlichen Familien finanziell schmal war, im Rahmen der intakten und
aufgeschlossenen Ortsgemeinschaft, gemäß solider kirchlicher Basis und örtlichen
Brauchtums für vielfältigste Spielmöglichkeiten optimale Voraussetzungen hatten.
Bei drei sonntäglichen Messen war der alte
Schulplatz während des Hochamtes der Platz für Völkerball und nach der
Kindermesse, in der es auch schon mal einen Jungen passierte, “datt
dei Lehrer üm´m ute Karkbank trück un´n hei up Kauert staon möss, das
Völkerballspiel eine vorübergehende Beruhigung brachte. Wenn wir als
Jungen dann aber etwas später eine stolze Kutsche, namens Landauer, um die
Schule zogen, und die Deichsel für die Pferde beim Gefälle Richtung “Deiters”
nicht mehr exakt beherrschten, sorgte der Durchbruch in das Fenster des alten
Fachwerkgebäudes einmal für den richtigen Stopp.
Bei unseren “Indianerspielen” waren uns Begriffe wie Kopfweiden, Wallhecke und
Esch durchaus geläufig. Bemerkenswert ist ja das neue
Projekt des Museumsdorfes Cloppenburg “Historische Kulturlandschaften zwischen
Weser und Ems”, in der die schönsten und wichtigsten
Beispiele in der Region gesammelt, in einer Ausstellung gezeigt und in einem
Landschaftsführer präsentiert werden sollen. (OV vom 22.12.06)
Ein typisches Beispiel von langen schmalen Wiesen mit schönen begrenzendem
Baumbestand findet man auch heute noch an der Straße, die
von Spieker in Harpendorf, zur Landesstraße Mühlen / Ihorst führt.
Während meines Studiums um 1959 an der damaligen Pädagogischen Hochschule
Niedersachsen, Abteilung Vechta, hatten einige Kommilitonen und ich im Auftrag
von Professor Dr. Wilhelm Hansen die Aufgabe ,in verschiedenen Orten des
Landkreises Vechta Spielsituationen von Kindern im Alter von 6 bis 12.Jahren zu
beobachten und zu analysieren. Es war zu untersuchen, ob die Professorin
Hildegard Hetzer aus dem Ruhrgebiet mit ihrer These Recht hatte, dass das Spiel
des Kindes zu dieser Zeit längst ein sinnloses Tollen überschüssiger Kräfte
wäre, als mehr der These von Dr. Hansen zuzustimmen sei, dass das Spiel des
Kindes im ländlichen Raum ein mehr gestaltendes und daher sehr wertvolles
Element für die Entwicklung wäre. Diese Untersuchungen waren für uns
vorgeschriebene Arbeiten im Studium, die auch zensiert wurden.
Ergebnis aller Arbeiten im Kreis Vechta: Die Spiele waren gestaltend. Wir hätten
es in Erinnerung an unsere eigene Kinderzeit in Steinfeld
auch ohne wissenschaftliche Untersuchung gewusst.
Als “Buten-Steiwelske” stellen wir mit Bewunderung fest, welch bauliche und
gesellschaftliche Entwicklung die Heimatgemeinde Steinfeld in 50 Jahren gemacht
hat. Der kluge Entschluss von Verwaltung und Gemeinderat zur Ortskernsanierung,
bei der mittels Gelder vom Bund, dem Land und der eigenen Kommune öffentliche
und private Bauvorhaben kostengünstig realisiert werden konnten, trägt heute
noch seine Früchte. Das uns Ehemalige vertraute Häuserensemble am westlichen
Schulplatz (Rathausplatz) mit Raoben Lohgarverei, an der wir beim Ausmarsch zum
Sportplatz bei Schmucki Bernd oft vorbeikamen, Raoben Stall, Possenrieden Hues,
Macken Hues, Bäkemöllers Hues, Evers Hinnerk un Brands Hues ist Geschichte.
Obwohl ich beim damaligen Läuten der vier Glocken z.B. zur
Fronleichnamsprozession etliche Fotos aus den Kläppchen des Kirchturmes machen
konnte, habe ich diesen Teil des Schulplatzes - mit Ausnahme von Evers Hinnerk
und Brands Hues- fotomäßig leider verpasst. Ein Kuriosum bot der kleine Anbau an
Brands Hues. Brands Pappen war bekanntlich Schneider und saß immer am Fenster,
aber um die Kuh in den Anbaustall rein bzw. rauszukriegen, musste diese stets
durch den hauseigenen kleinen Flur gezogen werden. Da Brandts Pappen auch für
das Brandhorn zuständig war und bei Bränden immer am Schulplatz ins Brandhorn
blies, wussten wir als Jungs immer schnell, wo es brannte. Unsere Hilfe beim
Löschen beschränkte sich in dem Alter allerdings auf das “Zuschauen”.
Der alte Schulplatz mit seinem Königsboom, der bis heute seine Stellung gehalten
hat, war für uns Jungen und für die Mädchen ein Eldorado für die
unterschiedlichsten Spiele: Knickern im Frühjahr auf dem feuchten Sandboden,
Völkerball, Ball övern Törfstall, Laufbock/Stehbock usw. Im Sommer gab es in der
Dämmerung durch Hochwerfen von Steinchen die Möglichkeit, die
“Ultraschall-Empfänger” der Fledermäuse in deren Ohren auszuloten. Zum Spielen
waren die Tage immer zu kurz.
Die
Lohgerberei Krapp steht nun auf dem früheren Gelände zwischen Nieberding und
Wilberding nicht unweit vom damaligen Spritzenhäuschen der Feuerwehr. Die
Familiengeschichte Krapp ist im Foyer gut aufbereitet. Mein Eindruck von der
Lohgerberei an dieser Stelle, war sofort “Hervorragend”. Er hat sich heute noch
mehr verfestigt. Dir, lieber Stefan, als aktiven Vorsitzenden und dem
Gesamtvorstand Eures Heimatvereins sowie dem Rat und der Verwaltung der Gemeinde
Steinfeld muss man herzlich gratulieren, eine solch wichtige Bausubstanz mit
ideellen und finanziellen Mitteln zu erhalten, deren Ursprung schon als Kapelle
im Jahre 1737 in Holdorf war und dort zu Weihnachten der erste Gottesdienst
gefeiert wurde. Du hast die Geschichte der in Holzkonstruktion errichteten alten
Holdorfer Kirche im Jahrbuch für das Oldenburger Münsterland 2006 in einem
wissenschaftlichen Artikel mit präzisen Quellenangaben und nach
Originalzeichnungen des Architekten Davius mit Zeichungen aus dem
Niedersächsischen Staatsarchiv Osnabrück dargelegt. Da in Holdorf nach
Abpfarrung von Damme 1854 eine neue Kirche gebaut wurde, konnte man das Fachwerk
der Kapelle an Steinfelder Kaufleute, und hier speziell an die Familie Krapp,
die damit eine Lohgerberei am heute noch fließenden Mühlenbach errichtete,
verkaufen. Der Mühlenbach floss für uns damals noch in Bäkemöllers Wiske in der
Nähe von Friedrichsruh und bot für uns eine Fülle von Sumpfdotterblumen und
Fröschen. Nicht weit davon war Dods Diek mit den feurigen Salamandern. Heute
sind dort Fischteiche.
At Volksschauljohrgang mit Abschluss 1950 (nengteinhundertfüftig) von dei
Schaulen in Steiweld, Harpendörp, Holldhusen un Leimen hebbt wi us vör 2 Jaohr
noch bi Lösken Clemi, well uck all nich mehr läwt, dropen. Dor wüdd - wie
freuher - Platt schnackt. Zu unserer Kinder- und Jugendzeit gab es die Betriebe
Ziegelei , die Pfannenfabrik und später Beton / Holz Bergmann sowie die
Polsterfabrik Rolfes (GeRo). Heute gibt es ein Vielfältiges an zusätzlichen
Betrieben, in denen Steinfelder und Bürger aus umliegenden Orten ihren
existenziellen Arbeitsplatz haben.
Bei
einem obligatorischen Rundgang durch den Ort hielten wir lange inne bei der
damaligen Ruine “Teiken Lohgarwerei”. Wir wunderten uns,
dass die wenigen Wände den Torso noch hielten. Die Absperrgitter waren unbedingt
erforderlich und überlegten, wie die Felle damals bearbeitet wurden. Aber
Klassenkamerad, Alex Rolfes - seine Mutter war eine geborene Krapp- war für uns
der kundige Spezialist, da sein Opa mit Teiken Rudolf dort die Lohgerberei
betrieb. Alex, Krapps Burkhard und Jürgen und Ordings Jupp durften dort oft
zuschauen. Originalton von
Alli: “Dat Waoter wüdd von dei Möhlenbäke in´n groten Kolk lenkt un´n dann in
dei Garwerei pumpt. Dor wörn drei bet veier Holtkuhlen, wo dei Felle tauaierste
rinkömen. Datt Loe möss 1 Joahr lang drögen und köm´t so uppe Felle inne Kuhlen.
Wenn dei Felle affschrubbt wassen, kömen
sei in datt Grote Rookfatt - watt so ne Art “Waschmaschine” wass und wüdden
sauber maokt”.
Es tauchte die Frage auf, wo zu unserer Schul- und Kinderzeit um 1945 - 1955
überhaupt Fachwerkbauten in Steinfeld waren, die es vielleicht verdient hätten,
im Sinne der Denkmalpflege erhalten werden zu können. Natürlich gaben oft
finanzielle Gründe den Ausschlag für den Abriss des alten und für die Erstellung
des neuen Hauses. Das schönste Beispiel hat Lösken Clemi mit dem ältesten und
schön restaurierten Haus - Baujahr 1685- lesbar im Giebel an der Ziegeleistraße
geliefert und damit wertvolle Denkmalpflege betrieben. Die hohe
Brandkassenversicherung hat er uns bei einem Vorgespräch fürs Klassentreffen
auch mal gesagt. In dem von Clemens Woltmann und Walter Deeken 1981 erstellen
Buch “Hausinschriften und Giebel im Oldenburger Münsterland” ist auf Seite 37
auch der komplette Hausspruch am Giebel von “Lösken-Hues” sowie weiterer
Fachwerkhäuser in Mühlen und den Steinfelder-Bauerschaften wiedergegeben.
In Nachbarschaft an der Ziegeleistraße stand das Fachwerkhaus von Otto Luhr. Die
regelmäßig im Frühjahr wiederkehrenden Rauchschwalben fanden ideale
Nestbaumöglichkeiten an dem kantigen Eichenbalken unter der Decke in der großen
Diele. Die Futtersuche für die Schwalben war leicht, da alle Häuser noch den
obligatorischen “Messkump” an der Straße oder im Hof hielten, da Jeder einige
Schweine oder 2 bis 3 Kühe zu versorgen und zu pflegen hatte. Dort siedelten
sich auch Fliegen, Mücken und andere Insekten an. Dass die Schwalben ihr Haus
nach Rückkehr aus dem Süden jedes Jahr wiederfanden, war durch „Beringung” mit
einem dünnen Draht am Bein des Altvogels leicht zu beweisen. Den fing man vor
einem Fenster, wenn man die große Dielentür zugemacht hatte.
Gnotten-Haus bei der Mühle war wohl ähnlich alt und erhaltenswert, ist aber
längst nicht mehr. Gegenüber von der Drogerie hatte die alte Dame
“Meikske”, wie ich ihren Namen im Gedächtnis habe, ihr nettes Fachwerkhaus, in
dem sie gleichfalls etliche Katzen versorgte. Zwei ältere Damen “Michels Finao
und Zoffie” hatten einen “Ossen” für ihre arbeiten auf dem Feld und wohnten in
der Nähe von Klapphoaken. Buddelmeyers Oma, Oma von Klassenkameradin Leri
spannte damals noch ihre beiden Kühe vor den Ackerwagen.
Unser altes Schulgebäude - stand nach Errichtung der jetzigen Johanneskirche u.
Einweihung im Jahre 1899 - auf dem damaligen Grundstück der alten Kirche. Heute
ist das der Rathausplatz. Zwei feste Größen hatte unser damaliger Schulplatz:
Einmal das auf Schnieders Seite stehende KREUZ an der Stelle des Altares der
alten Kirche und die in der Nähe stehende PUMPE. Das damalige Schulgebäude hatte
insgesamt sechs Klassenräume, drei im Erdgeschoss, drei im Obergeschoss. Im
Dachgeschoss war noch ein Lehrerwohnung, die Georg Ruhnke genannt “Oggi” mit
seiner Familie bewohnte. Er schilderte uns bei einem unserer Klassentreffen ein
besonderes Erlebnis unserer eigenen Klasse aus der Sicht eines Junglehrers um
1946 kurz und bündig: Tatbestand: Nach Kriegsschluss 1945 saß unsere Klasse 5
mit der Klasse 6 im mittleren Klassenraum im Obergeschoss zusammen. Unser
geschätzter Lehrer Apke, der u.a. eine für uns einmalige sportliche Variante
hatte, mittels einer kleinen Fortsetzung an der Nabe des Hinterrades mit Eleganz
sein Fahrrad zu besteigen , unterrichtete uns. “Boab´ndieks Otto”, sportlich
genauso auf der Höhe, sprang nach mehreren Verfolgungsjagden über die langen
Klassenbänke, um dem berühmten Satz von Lehrer Apke “Der Kerl muss Duckse Duckse
haben” zu entgehen, gegen die sinnigerweise schon vorher verschlossene Tür. Die
Tür krachte auf und Otto floh die steinerne Treppe hinunter. Im gleichen Moment
wollte Lehrer Ruhnke nach oben und fragte besorgt seinen Kollegen: “Herr Apke,
was ist denn los?” Antwort: “Junger Kollege, das war nur ein kleiner
Betriebsunfall”.
In freundlicher Erinnerung sind mir aber die Geburtstage von Herrn Apke, die wir
mit festlichen Girlanden, der geschenkten Torte von Schmitz Leni und den
farbigen Tafelanschrieb “Vivat, Vivat Josef” immer feierlich und ohne
Hausaufgaben begangen haben.
Festzustellen bleibt für uns, wir haben bei all unseren pädagogisch gut
unterrichtenden Lehrern viel gelernt. Sie haben damit einen wichtigen
kulturellen und erziehenden Auftrag für uns geleistet. Die unselige “Braune
Zeit” der Nazis haben wir in der Schule am Rande mitbekommen. Zu Beginn der
Sommerferien haben wir - ich meine z.B. 1942 - auf dem Schulplatz, bei der Pumpe
und in unmittelbarer Nähe des mit Eisengittern umgebenen Kreuzes in
quadratischer Formation der ganzen Schulgemeinschaft die Flagge gehisst.
Der eine oder andere Lehrer hatte auch die “passende braune Uniform” an; aber
oft aus beruflichen Gründen und auch mit Rücksicht auf die Versorgung seiner
Familie. Mein Vetter Josef Wolking - Bucks Jop - der drei Jahre älter ist als
ich, und in der Nähe der Kirche wohnend für den Küster immer greifbar war, um
bei einem Versehgang Pastor Uptmoor oder Kaplan Frilling zu begleiten, hat mir
dazu einen wichtigen Beleg geliefert. Er sagte später zu mir: “Lehrer xy hatte
zwar manchmal die braune Uniform an, aber im Vertrauen unter vier Augen hatte er
mir eingeschärft: “Josef, wenn ich zu Dir in der Klasse plötzlich sage, Du musst
sofort nach Haus kommen, Deine Mutter ist erkrankt, dann musst Du nicht nach
Haus gehen, sondern sofort zum Pastor, um ihn beim Versehgang zu begleiten. Zu
gewissenhaftem Schweigen war er gezwungen, wenn seine Mutter, ihn nachts gegen 4
bis 5 des öftern weckte, ihn die Schwester Oberin des damaligen Krankenhauses
abholte und die Beiden den „Padd“ zwischen Evers und Otto Luhr zu Fuß gingen, um
einem in der Nazizeit vor der Gestapo untergetauchtem Geistlichen bei der Messe
zu dienen. Aus Geheimhaltungsgründen waren in der Kapelle dann auch nur der
Geistliche, die Oberin und er als Messdiener, wie er mir Jahre später erzählte.
Ich glaube, es war Mitte des Jahres 1943, als Lehrer Apke 5 Schülern von uns den
Auftrag erteilte, in der nächsten Woche an einem Montag nach Damme zur Schule -
ich meine es war die damalige Bürgerschule – zu fahren, um so etwas wie eine
Prüfung zu machen. Es waren außer uns Steinfelder noch weitere Schüler aus
anderen Landgemeinden anwesend. Dass es so was wie Vorprüfungen für
Hitlerschulen gab, wussten wir als Schüler nicht. Diese Schulen der
Nationalsozialisten, NAPOLA genannt, waren in ganz Deutschland, 50 an der Zahl,
eingerichtet, wie nach Kriegsschluss bekannt wurde. Der in Damme uns
unterrichtende oder prüfende Lehrer stand vor uns in vollem braunen Ornat -
sprich Uniform. Der Vormittag erstreckte sich über vermutlich Diktate, Rechnen
usw. Den Schluss dieses außergewöhnlichen Tages habe ich nicht vergessen. Der
Lehrer fragte, vermutlich um den Unterricht etwas aufzulockern, “Wer kennt ein
Rätsel”? Da sich keiner meldete, zeigte ich auf, da mir meine Oma vor einiger
Zeit ein wichtiges Rätsel anvertraut hatte. “Ja, Du, dann sag mal eins” Ich:
“Was ist im Himmel und ist von Menschenhand gemacht?” Das Gesicht des Lehrers
sah schockartig anders aus. Lehrer: “Dann sag es mal” . Ich: “Die 5 Wunden
Christi”. Der Unterricht wurde sofort beendet, da er wohl vermutete, aus dem
südoldenburgischen Nachwuchs seien keine echten Parteileute zu rekrutieren. Mit
dem Fahrrad konnten wir wieder nach Steinfeld fahren. Später haben wir von
diesen Prüfungen auch in der Schule nichts wieder gehört.
Im Bildungsbereich waren wir mit der Bücherei beim Kaplan Frilling nicht gerade
auf Rosen gebettet. Außer den üblichen Karl-May-Büchern konnte man das, was
örtliche Büchereien heute bieten, nicht haben. Lexika und Wörterbücher hatten
die wenigsten von uns. Computer und Internet gab es nicht. Aber dennoch gab es
in Steinfeld für alle Schüler den festen Begriff SLING-SHOT, mit dem man auch
schon mal Telefonmasten oder Blechkanister treffen konnte. Ich habe in meiner
Dienstzeit von Jungen außerhalb Steinfelds immer nur für dieses wichtige
Attribut etwa FLIPS oder ähnliches gehört.
Bei der Weltausstellung in Hannover vor einigen Jahren kam ich der Erklärung
dieses für uns damaligen Schüler wichtigen Begriffes näher: Dort standen zwei
Kräne. Zwischen diesen hing ein dickes Gummiseil. Das konnte mit Hilfe der Kräne
nach unten gelassen werden. Man setzte sich auf einen Sitz am Seil. Sitz und
Seil wurden auf der Erde festgehalten. Die Kräne gingen hoch. Das Seil wurde
losgelassen und der Sitzende hoch katapultiert. Diese Vorrichtung hieß nun exakt
SLING-SHOT. Ein Blick ins einfachste Englische Wörterbuch brachte die Lösung:
SLING heißt SCHLEUDER und SHOT kann man sich denken= SCHUSS. Wir sprachen also
in der alten Volksschule schon Englisch, ohne es jemals gelernt zu haben.
Kultur im ländlichen Raum umfasst, wie eingangs schon erwähnt auch den Bereich
Theater. Wenn ich Theater-Aufführungen der Kolpingsfamilie in früheren Jahren in
Erinnerung rufe, mit Kösters Lisabeth, Wilma Stolte, Balsters Mattin und den
anderen Akteuren heute mit ehr Stück “Dackschaoden” dann können diese
schauspielerischen Leistungen gerade für die ganze Gemeinde nicht hoch genug
angerechnet werden.
Theaterspielen ist eine kulturelle Leistung. Diese ist wichtig für die
Identifikation und das Zugehörigkeitsgefühl der Menschen zu ihrer sozialen
Umwelt, zu ihrer ländlichen Umgebung, zu ihrer Heimat. Sie sind Ausdruck humaner
Lebensgestaltung und ein Element des Zusammenlebens. Kultur gehört zur Bildung,
und die Bildung der Menschen ist gerade im Zeitalter der Globalisierung zur
wichtigsten Ressource geworden. Kultur sichert Tradition, ermöglicht Innovation
und ist Voraussetzung für Interaktionen mit anderen Kulturen. Das könnte auch
eine Brücke in mehreren Städten und Gemeinden unseres Landkreises nach dem Zuzug
von Spätaussiedlern und Ausländern sein.
Die Theatergruppe setzt übrigens eine alte Tradition der Kolpingfamilie fort. In
dem kleinen Buch “Steinfeld, die gute alte Zeit” von Stephan Honkomp findet man
zwei Aufnahmen von Theaterspielen der Kolpingfamilie. Die Aufnahme aus dem Jahr
1924? besaß meine Mutter, die zu der Theatergruppe gehörte als Original. Ich
besitze das Foto heute noch. Zu den damaligen Spielerinnen gehörte auch die
Mutter von Margareta Bokern und die Mutter von Elisabeth Overmeyer (Schmitken).
Die Spielschar führte die Oper “Der Freischütz” auf. Zur Thematik: Der
Freischütz schildert im Forstbereich den unseligen Brauch des Probeschusses, der
das Glück zweier Liebenden vom ungewissen Lauf einer Kugel, die eine von sieben
in der Wolfschlucht unter Mitwirkung des Teufels bei Donnergrollen und Blitz
geschmiedete Kugel ist, abhängig macht. Sechs dieser Kugeln treffen immer das
Ziel, das der Schütze anpeilt. Aber die siebte wird vom Teufel tödlich auf eine
Person gelenkt. Nur mit Hilfe eines Eremiten wird der tödliche Schuss auf
Agathe, der Braut des Erbförsters Max, verhindert. Das Donnergrollen erzeugten
die Mithelfer in Lösken Saol mit einem ca 2 Quadratmeter großen Blech, durch das
auch zu unserer Zeit noch im Winter die in der Nähe des großen gusseisernen
Ofens sitzenden Schüler vor zu großer Hitze geschützt wurden. In den 50-Jahren
haben Kösters Lisabeth und wir anderen aus dem Schulplatzbereich unter Anleitung
von “Uli-Mamm”, Mutter von Uli Krapp und seinen Geschwistern, in Lösken Saol
immer Krippenspiele im prallgefüllten Saal aufgeführt.
Diese Tradition setzte sich gleichfalls fort mit dem Zuzug der Vertriebenen 1945
aus Schlesien, Pommern und Ostpreussen, die in eigenen Vereinsgründungen diese
Reihe gekonnt auch musikalisch weiterführten. Ihre Aufführung in einer
bühnenbildlich-technisch großartigen Kulisse
der Operette “ Im weißen Rössel am Wolfgangsee” in Lösken Saol war
beeindruckend. (Es muss ein Wunderbares sein, von Dir geliebt zu werden; und Im
Salzkammergut, da kann man lustig sein).
Der Kulturbereich kann darüber hinaus auch Wirtschaftsfaktor werden, wie das
Unternehmerforum und Rat sowie Verwaltung der Gemeinde mit
der Pferdestraße glänzend touristisch in Steinfeld, in Hannover, Berlin und bei
der hervorragenden Fußballweltmeisterschaft in einem goldenen
Sommer demonstriert haben.
Lassen Sie mich einen Blick auf das angedachte “Trojanische Pferd werfen. Die
Stätte TROJAS wurde von H. Schliemann durch Ausgrabungen (seit 1870) auf dem
Hügel Hissarlik, 6 km landeinwärts von den Dardanellen, festgestellt. Bei den
Ausgrabungen auf einer Burganlage fand man zahlreiche Schätze von Gold und
Silbergeschirr. Diese Schätze waren bis zum Ausbruch des zweiten Weltkriegs im
Völker-Museum in Berlin zu bestaunen. Danach verliert sich ihre Spur zum größten
Teil.
Im Vorwahlkampf dieses Jahres in Steinfeld tauchte die Idee “Trojanisches Pferd”
auf. Man hoffte wohl auf Geld aus Brüssel im Rahmen der ILEK =
Regionalmanagement mit integriertem ländlichen Entwicklungskonzept Vechta /
Mitte /Süd. Bei dem Konzept ILEK gibt es viele Planungen mit wohl über 250
Einzelprojekten, wovon die meisten wohl keinen Geldsegen erhalten. Persönlich
weiß ich, dass viel Zeit und Idealismus von Bürgern investiert wird, aber der
erstrebte finanzielle Erfolg wird wohl wegen des großen Andrangs und der
geringen Mittel aus Brüssel ausbleiben. Um auf die Sage „Trojanisches Pferd“
zurückzukommen, wissen wir, dass die Griechen Troja 10 Jahre lang vergeblich
belagert haben. Epeios baute den Griechen das hölzerne Trojanische Pferd, in
dessen Bauch sich die tapfersten Helden - laut Sage - verbargen, während die
griechischen Schiffe abfuhren. Trotz Laokoons Warnung zogen die Trojaner das
Pferd als Weihegeschenk an die Göttin Athene in die Stadt. Nachts stiegen die
Helden heraus, riefen die Flotte durch Feuerzeichen zurück und öffneten das Tor.
Durch diese List wurde Troja erobert. Ich denke, die Steinfelder lassen sich
nicht durch diese fragwürdige Holzkonstruktion erobern. Mit Kultur hat das
meines Ermessens nichts zu tun. Einen wunderbaren Weitblick zu den Kirchtürmen
von Dinklage, Lohne und Mühlen von Steinfeld aus hat man auch heute noch vom Weg
aus, links vor Saols Krüz , Richtung früher Mergelmeyer (weit vor Hotel Schemder
Bergmark) Die Sicht ist bei gutem Wetter gut, wenn der Mais oder der Roggen noch
klein oder abgemäht ist.
Was den Kulturbereich MUSIK betrifft hat Steinfeld eine lange Tradition. Durch
Zusammenlegung der beiden Chöre Frohsinn und Concordia wurde dieser Schwerpunkt
verstärkt. Der Kirchenchor Cäcilia ist eine zusätzliche musikalische Säule im
kirchlichen Bereich bei der Gestaltung der Gottesdienste. Ich habe heute noch
die sonorige Bassstimme im Ohr, wenn Hürkamps Hein sein eindrucksvolles Solo
beim Weihnachtshochamt auf dem Orgelboden mit der passenden Schrift “Laudate
dominum omnes gentes” - “Lobet den Herrn alle Völker” vortrug. Einen sehr guten
Eindruck macht auch der inzwischen in Nachbarorten auftretende stimmgewaltige
Jugendchor sowie der “Gloria-Chor” von Alexander Neb.
Vielleicht kennen einige von Ihnen den inzwischen weltbekannten Schlagzeuger und
Keybordspezialisten Wolfgang Roggenkamp, der durch die Musikschule sein Talent
entfalten konnte. Natürlich brauchte er viele Stunden mit kräftiger Schlagzeug
-Außenwirkung in seinem Elternhaus. Bäten lögenhaft tau vertelln is so´n Schnack
tüsken sien Pappen un sein Naober, dei üm frög: “ Segge eis, heff sich dat vähle
Geld för jaun Jung´n inne Musikschaulen uck lohnt?” Dorup dei Pappen: “Jao,
tüskeninn kunn ich datt Naoberhues wägen dei louten Trummel koopen”.
Unser Jahrgang kennt noch die musikalische Begleitung durch das
Kolpingorchester, wenn wir in der Bittprozession zu Bahlmanns Kapelle an der
Lohner Straße zogen. Vorneweg Goswin Wienholt mit seiner langen Posaune, die
auch mal jemand irrtümlich die “Auf-und-Ab-Trompete” nannte. Die schöne Madonna
der Kapelle hat lange Jahre unsere Klassenkameradin Leonore Bahlmann nach Abriss
der Kapelle wegen Unfall und Straßenverbreiterung aufbewahrt. Sie hat sie dann
der Pfarrgemeinde für die Kirche geschenkt.
Im Bereich der Literatur möchte ich auf Hans Varnhorst und auf die Steinfelderin
Maria Hartmann aus Holthausen hinweisen, die im Schrieverkring des
Oldenburgischen Landes eine große Dichterin in der Plattdeutschen Sprache war
und meisterlich Erlebnisse mit Personen ihrer Heimat wiedergeben konnte. Beim
Verfassen meiner Kulturbetrachtung erinnerte ich mich an ihr Erlebnis mit dem “Flickschauster”,
der als Russe nach dem ersten Weltkrieg wohl in Steinfeld hängen blieb. Wir
haben ihn, wie Maria Hartmann ihn auch im Band “Oldenburger Münsterland 1979”
beschrieb, oft mit Tasche und dunkler abgetragener Kleidung über den Schulplatz
in Steinfeld eilen sehen. Sie hatte ihn in drei Situationen- erstmals beim
Hinbringen von Schuhen zur Besohlung mit ihrer Freundin in seiner kargen
Einraumunterkunft bei “Höhnken Reinhold” - Deters - an der Handorfer Straße -
und dem wortkargen Hinweis zum Abholen der Schuhe “Donnerstak - Nackmittak”
gesehen.
Ein zweites Mal auf dem Schulplatz die Fäuste ballend und russische Wörter
rufend, als Jungen ihn mit Schneebällen bewarfen, aber dann vor
lauter Angst sofort aufhörten. Das dritte Mal zufällig im Sommer in der
Pfarrkirche, als sie für Ihre Mutter das vergessene Gebetbuch
holen sollte. Der “Flickschuster” saß in der ersten Bank im Seitenschiff vor dem
Fenster mit dem verlorenen Sohn , der von seinem Vater
liebevoll wieder aufgenommen wird, wie wir es aus der Bibel kennen. Ich zitiere:
“De groten foolten Hann´n hüllt hei wiet van sik af, un´n
keek hoch, nao dat Fenster, mit dat Bild, wor de verlor´n Söhn, ut de Frömde
kummp nao Huus - verlumpt un afräten. Wor hei uppe Knei
fallt un sin Hand vör´t Gesicht hollt - at wenn hei sin Daun un Drieven nich
begriepen - sin eigen Schan´n nich mehr drägen kunn”.
Diese packende und menschlich bewegende Schilderung von Maria Hartmann, wie sie
das Gesicht des “russischen Mitbürgers” zum letzen Mal sah, endet . Ich zitiere
“Schaulkinner harn´n um´m dor eines Daoges doode funn - buten vör de Döörn“ und
weiter schreibt sie “Ick sei aover blos sien leßte Gesicht - dei ändern will ik
vergäten”
Ich finde, dass der Begriff des Ministeriums “Sozikultur” durch das
Unternehmerforum in Steinfeld zur letzten Weihnacht mit ihrer Wunschbox sehr gut
aufgegriffen worden ist: Primär muss dieses Forum sicherlich für die
Weiterentwicklung der örtlichen Wirtschaft antreten, es hat aber nicht
vergessen, drei Familien, darunter eine Familie mit 8- vielleicht heute schon 9
Kindern- eine große Weihnachtsfreude zu bereiten.
Dass Künstler in Steinfeld lebten und noch wohnen hat die beeindruckkende
Ausstellung der Bilder von Maoler Aornd bei Berdings an der
Dammer Straße bewiesen. Das gleiche trifft zu für die Ausstellung seiner Bilder
an der Großen Straße, die Niko von der Assen präsentierte. Nicht
zu vergessen die Bilder des Neubürgers aus England, David Beavan, in seinem
architektonisch und funktional hervorragend gestalteten Neubau,
der fotomäßigen Visitenkarte von Alt-Steinfeld, des Hauses an der Gabelung Große
Straße und “Zägenstraoten”.
Der Kulturbegriff “Kulturelle Jugendbildung” wird durch die Pfadfinderschaft
sehr gut vertreten, Sie ist übrigens ein Nachfolger von der 1949
gegründeten St. Sebastiangruppe, deren Gründer Pater Raimund Zinneker,
Franziskaner-Pater in Japan, war. Die erste Großfahrt haben wir 1949 per Rad
quer durchs Sauerland nach Bonn gemacht. Als Gruppe unter Leitung von Josef
Dorgelo waren wir zunächst im Frühstücksraum der Ziegeleiarbeiter, später mit
freundlicher Unterstützung von Pastor Uptmoor im großen Raum des Obergeschosses
des alten Pastorats und später im DJO-Heim an der Ziegeleistraße untergebracht.
Klußens Jupp war der erste, der weitsichtig Fotos und andere Dokumente für sein
Archiv, das heute im Heimatarchiv ist, sammelte. In guter Erinnerung habe ich
auch die Ausgabe des Kalenders mit Fotodokumenten des historischen Steinfelds
durch die damalige Spar- und Darlehnskasse Steinfeld, vertreten durch Leo Bitter
und Karl Barlage. Für die Jugendarbeit hatte Pastor Uptmoor immer ein offenes
Ohr. Wenn er sich in seinem drehbaren, dunklen Schreibtischsessel die Zigarre
anzündete, wussten wir, er hat für uns Zeit. Bei einer Tannenbaumfeier in
unserem Ziegeleidomizil oder im Zeltlager in Lübbecke 1952 war er ein gern
gesehener Gast der St. Sebastianer.
Der sportliche Bereich im Kulturwesen ist mit dem SV Falke alle Jahre gut
vertreten gewesen. Inzwischen sind viele Abteilungen dazu gekommen. Erinnern
kann ich mich an eigene Spiele in der Schülermannschaft Ende 1945, die noch auf
dem Sandplatz bei “Schmucki Bernd” ausgetragen wurden. Ein Zufall wollte es,
dass wir bei Lösken auf dem damaligen kleinen Saal im Haupthaus einige
Fußballschuhe für Erwachsene fanden. Mit mehreren Seiten OV-Beilagen, vorne rein
gestopft, musste allerdings der Sieg schweißtreibend erspielt werden.
Ein anderes Mal war der Ziegeleiteich die Rettung für eine fußballtechnische
Ausrüstung. Mein Klassenkamerad Horst Kathmann, von der damaligen Kükenfarm in
Calveslage war der einzigste in der Klasse, der Fußballschuhe besaß. Diese
Schuhe konnte ich für 5 Goldfische, aus dem Ziegeleiteich, die ich ihm für den
Teich in deren Hausgarten in einer Dose mitbrachte für ein Fußballspiel am
Sonntag ausleihen. Leider aber waren diese Fußballschuhe für mich ziemlich eng,
sodass der Schlusspfiff des Fußballspiels ein schönes Signal war.
In vielen Steinfelder Vereinen und Gruppen auf der kirchlichen und weltlichen
Ebene wird seit Jahren echte Kulturarbeit geleistet. Denkmalpflege, wie sie hier
mit der Lohgerberei getätigt wurde, hat auch viel mit Handwerk zu tun. Die im
Oktober 2006 in Leipzig stattgefundene Fachmesse “Denkmal 2006” war für
Professor Dr. Gottfried Kiesow, Vorsitzender der “Deutschen Stiftung
Denkmalschutz” der willkommene Anlass, erneut auf die Bedeutung des Handwerks in
der Denkmalpflege hinzuweisen. Unsere Baudenkmale verdanken ihre Entstehung,
ihre Dauerhaftigkeit und Schönheit den Baumeistern im Handwerk. So ist auch die
Lohgerberei in seiner restaurierten Form ein gelungenes Beispiel örtlichen
Handwerks. In der Satzung der Deutschen Stiftung Denkmalschutz wird unter ihren
Aufgaben ausdrücklich die Förderung des Handwerks aufgeführt. Wer schon einen
Besuch in der wunderbaren Fachwerkstadt Quedlinburg, in Sachsen-Anhalt machen
konnte, hatte die Möglichkeit, zu sehen, wie von den 1200 schönen unter
Denkmalschutz stehenden Fachwerkhäusern die meisten wohngerecht restauriert
worden sind. Gelder kamen vom Bund, vom Land und von der Kommune selbst.
1975 hatte man begonnen, den Instandsetzungsbedarf von Denkmälern in den
westlichen Bundesländern und von 1991 an in den östlichen aufzuholen, da hier
der Bedarf der unterlassenen Instandsetzung des baulichen Erbes der ehemaligen
DDR besonders groß war. Von 1990 bis 2002 konnte die Stiftung mehr als 265
Millionen Euro für 2.100 Kulturdenkmale (also auch viele kleine) aus Spenden der
Bürger, der Glücksspirale und Zuwendungen des Bundes aufbringen. Hinzu kommt der
enorme Betrag von 131,3 Millionen für die vor Jahren unmöglich gehaltene
Wiedererrichtung der Frauenkirche in Dresden. Nach 12-jähriger Bauzeit konnte am
30.Oktober 2005 ein festlicher Gottesdienst mit weltweiter Übertragung im
Fernsehen gehalten werden. Die Vision des energischen Bauleiters Eberhard Burger
mit tatkräftigen Mithelfern hat etwas Einmaliges aus dem “Mahnmal gegen
Faschismus und Krieg” erreicht. Ab 1993 war der “Steinberg” archäologisch
enttrümmert, jedes Fundstück sortiert und katalogisiert worden. Auch hier bleibt
festzustellen, das Kultur und Bildung nur dann leben und gelebt werden kann,
wenn die Förderung transparent und einheitlich angeboten wird und auch durch
einfache Förderwege und -verfahren zu den Kulturschaffenden gelangen kann. Daher
gibt es in Niedersachsen nach Auflösung der Bezirksregierungen die Landschaften
und Landschaftsverbände, die für die Kulturförderung aus Landesmitteln
zuständig sind. Wohl allerdings der Kommune - wie Steinfeld - die noch eigene
finanzielle Mittel hat. Laut Lutz Stratmann, Minister für Wissenschaft und
Kultur wird sich das neu entwickelte Modell zur Kulturförderung auf
verschiedenen Ebenen positiv auf die Entwicklung des ländlichen Raumes
auswirken. Damit werden die regionalen Träger , z.B. die Heimatverbände,
ermutigt, ihre spezifischen Fähigkeiten mit Hilfe des Landes zu vernetzen und in
der Kultur das jeweils Besondere einer Region, eines Ortes, wie hier die
Lohgerberei herauszustellen. Dank der konstruktiven Zusammenarbeit mit den
regionalen Partnern wird das gesamte Verfahren jetzt deutlich vereinfacht.
Abschließend bleibt festzustellen, dass der kulturelle Bereich allein in
Niedersachsen 100.000 Arbeitsplätze hat und somit auch ein wirtschaftlichter
Faktor ist. So zählte die Stadt in Emden in 20 Jahren in ihrem Kunstmuseum, das
wir gestern noch wegen der Nolde-Ausstellung besucht haben, bis heute 1,7
Millionen Besucher.
Ich könnte mir für die Zukunft dieser Lohgerberei auf der großen Marmorplatte
unten interessierte Teilnehmerinnen eines Workshops mit dem Thema “Gestaltung
von schönen Lederattributen” im Bildungswerk vorstellen“.
Sicher bin ich, dass Steinfeld mit seinen kleinen, aber individuell attraktiven
Museen, die dank des guten finanziellen Polsters der Gemeindekasse und dank des
Elans seiner Bürger und Bürgerinnen entstanden sind, mit der Lohgerberei, der
Seefahrtschule und dem Kutschenmuseum bei zielgerichteter Werbung viele Gäste,
und mit attraktiven Wohngebieten auch Neubürgerinnen und Neubürger für den den
Ort am Dicken Stein begeistern kann, zumal schon laut “Steinfelder Nachrichten”
ein aktives Ortsmarketing aller Akteure aus Handel, Wirtschaft und Hausbesitzern
in Steinfelds Ortskern ins Auge gefasst ist.
Ich danke Ihnen und wünsche allen weiterhin Glück im Bemühen um ein lebendiges
Miteinander in Steinfeld, das Bewahrenswertes erhält und für neue Ideen die
Augen offen hat.